Schüler, Eltern und Lehrer stehen vor einem problematischen Schuljahr
Hoher Unterrichtsausfall, schlechte Lern- und Arbeitsbedingungen und überlange Arbeitszeiten für Lehrkräfte bestimmen die Stimmung in den Schulen
Abordnungen an Grundschulen beschleunigen Talfahrt der Unterrichtsversorgung an Gymnasien
Der Landesregierung drohen schwere politische Gewitter
“Mit schweren Hypotheken gehen die niedersächsischen Schulen in das neue Schuljahr, ohne Aussicht, dass sich daran etwas ändert angesichts einer Schul- und Bildungspolitik, die man nur noch als chaotisch und ideenlos beschreiben kann.“ Mit diesen Worten charakterisierte der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Horst Audritz, am Montag in Hannover zum Schuljahresauftakt die bedrückende Situation für Eltern, Schüler und Lehrer und die Stimmung in den Schulen.
Dringend erforderliche Anstrengungen des Kultusministeriums, den inzwischen beängstigenden Unterrichtsausfall an den Gymnasien zu beseitigen und die rasante Talfahrt der Unterrichtsversorgung endlich zu stoppen, seien nicht erkennbar. Im Gegenteil: Zahlreiche Gymnasien müssten in teilweise großem Umfang Stunden an die Grundschulen abgeben, selbst wenn die eigene Unterrichtsversorgung schon zuvor weit unter 100% liege. Gymnasien würden auch jetzt noch kurzfristig angewiesen, 40 oder 60 oder 70 Stunden an Grundschulen abzuordnen, um dort die Löcher zu stopfen, die dann aber an den Gymnasien umso größer würden. „Das ist ein unerträglicher Zustand, der eindeutig zu Lasten der Bildung unserer Schülerinnen und Schüler geht”, kritisierte Audritz. Doch in Sachen Unterrichtsversorgung dümple das Kultusministerium weiterhin plan- und ziellos dahin, erschöpfe sich in Schönrederei und leugne sogar die dramatische Situation, deren Zeugen Lehrer, Schüler und Eltern täglich würden.
Hinzu komme für Lehrkräfte wie Schulleitungen eine viel zu hohe Arbeitszeit, die weit über der des öffentlichen Dienstes liege und die endlich gesenkt werden müsse, wenn das Land nicht weiter gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und Raubbau an seinen Lehrkräften betreiben wolle. Dazu sei es jedoch dringend erforderlich, endlich die Pflichtstundenzahl der Lehrer zu senken, für besondere Aufgaben einen entsprechenden Zeitausgleich vorzusehen sowie die Altersermäßigung, die von der Landesregierung wortbrüchig „ausgesetzt” worden war, endlich wieder auf den vorherigen Stand zu bringen. Doch außer Vertröstungen auf den St. Nimmerleinstag geschehe auch hier nichts. Nach wie vor weigere sich die Kultusministerin sogar, endlich die auch vom OVG Lüneburg geforderte Lehrerarbeitszeituntersuchung durchzuführen.
Auch die Lern- und Arbeitsbedingungen in den Schulen seien weiterhin ein Riesenproblem. Insbesondere die Lehrkräfte, die die schwere Aufgabe der Inklusion zu leisten hätten, litten unter ihren täglich immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen. Bedrückend sei es, dass gerade die Kinder und Jugendlichen, die auf Grund ihrer oft schweren Handicaps auf Zuwendung und Hilfe besonders angewiesen seien, nicht die Betreuung fänden, die für sie notwendig und unerlässlich sei. Zu Recht fühlten sich Lehrkräfte wie die Eltern dieser Kinder von der Kultusministerin in ihrer Not allein gelassen, wenn man von den von Ideologie geprägten Aufmunterungs- und Durchhalteparolen absehe, mit der die Ministerin über das Land ziehe, um fragwürdigen Optimismus zu verbreiten. Dabei wüssten inzwischen nur allzu viele Menschen, dass es hier wahrlich nichts zu beschönigen gebe, wie Äußerungen von Eltern wie Lehrern zeigten.
Angesichts dieser insgesamt nur noch dramatisch zu nennenden Entwicklung in unseren Schulen empfänden es die Lehrkräfte als puren Zynismus, wenn Heiligenstadt im neuesten Schulverwaltungsblatt schreibe: “Der Lehrerberuf ist ein toller Beruf” – ein Satz, dem man dann zustimmen könnte, wenn in Niedersachsen eine andere Schul- und Bildungspolitik betrieben würde. “Doch davon sind wir derzeit weit entfernt, und die Unzufriedenheit mit der Landesregierung wächst in den Schulen von Tag zu Tag. Wenn nicht umgehend etwas geschieht, werden sich für die Landesregierung schwere Gewitter am politischen Himmel zusammenziehen, deren Schäden nicht vorhersehbar sind”, betonte Audritz.
Hannover, 31.07.2017