Ebenso verhalte es sich mit der vermeintlichen Entspannung bei den Abordnungen. Hatte der Kultusminister zunächst monatelang öffentlich beteuert, die Abordnungen würden im neuen Schuljahr massiv gesenkt und praktisch beendet, habe er erst kürzlich eingestehen müssen, dass beispielsweise die Abordnungen von den Gymnasien an andere Schulformen im neuen Schuljahr nochmals deutlich erhöht und damit schlimmer sein werden als bisher schon. Dabei bleibe die Zahl der Abordnungen von Gymnasien an Grundschulen auf dem gleichen hohen Stand wie vor einem Jahr, die Zahl der Abordnungen vom Gymnasium an weitere andere Schulformen steige aber noch einmal erheblich an und werde sogar verdoppelt. „Insgesamt ergibt sich daraus also eine deutliche Verschlechterung bei den Abordnungszahlen, einzig der Aufschrei der Empörung ist kleiner. Dies ist aber kein Zeichen von Entspannung, sondern ein Zeichen der Resignation, die inzwischen bei Eltern und Lehrkräften herrscht“, erklärte Audritz.
Es gebe zahlreiche Meldungen aus den Schulen, die von Kürzungen und Ausfall nicht nur bei Arbeitsgemeinschaften und Ganztagsangeboten, bei Förderunterricht oder Sprachunterricht, sondern auch beim Pflichtunterricht berichten. Auch pädagogisch unsinnige Zusammenlegungen von Klassen müssten vorgenommen werden, weil entgegen rein statistisch ausreichender Versorgungswerte in der Realität zu wenig Lehrer für den Unterricht vorhanden sind. ” Der Blick auf den harten Boden der Tatsachen statt Augenwischerei mag dem Kultusminister nicht gefallen, er ist aber die einzige Möglichkeit, um die vielen bestehenden Probleme endlich anzugehen und praktikable Lösungen herbeizuführen“, unterstrich Horst Audritz.
Audritz betonte, dass sein Verband weiterhin, wo nötig, den Finger in die Wunden der niedersächsischen Einstellungspolitik legen werde. „Wir haben seit Beginn des Jahres immer wieder konstruktive Vorschläge unterbreitet, die die Situation an unseren Schulen schon zu diesem Schuljahr hätten deutlich verbessern können. Außer freundlichen Eingangsbestätigungen aus dem Ministerium ist aber leider nichts passiert“, so der Verbandsvorsitzende.
Die geplante Imagekampagne zur Werbung für den Lehrerberuf indes, die Kultusminister Tonne angekündigt hat, wertet der Philologenverband als einen ersten richtigen Schritt, kritisiert aber, dass die skizzierten Maßnahmen zur Lehrerwerbung deutlich zu kurz greifen. „Eine Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufes halten wir für den zentralen Schlüssel, um mittel- und langfristig genug Lehrer an unseren Schulen zu haben. Es ist positiv, dass nun auch das Land diese Notwendigkeit erkannt hat, allerdings einige Jahre zu spät“, so Audritz. Es sei aber festzustellen, dass die Werbung für den Lehrerberuf nur dann nachhaltig erfolgreich sein kann, wenn sich die Rahmenbedingungen in Niedersachsen grundlegend verbessern.
„Dass hier vieles im Argen liegt und das Land sogar seine Fürsorgepflicht sträflich verletzt, zeigen allein schon unsere aktuellen Klagen bei den Verwaltungsgerichten zur Arbeitszeit“, so Audritz. Es stelle sich daher die Frage, wie das Land junge Menschen für den Lehrerberuf begeistern wolle, wenn es gleichzeitig an vielen Stellen die Rechte der Lehrer verletze. „Wer ergreift denn schon gerne einen Beruf, bei dem er seine Rechte immer erst einklagen muss“, gab Audritz auch mit Blick auf die immer noch nicht umgesetzten Arbeitszeitmaßnahmen nach dem OVG-Urteil von 2015 zu bedenken.
All dieses ist jedoch auch den am Lehramt interessierten Abiturienten bekannt, zum Großteil sogar aus eigener Erfahrung. Die potenziellen Lehramtsstudenten seien also sicher nicht mit einem geplanten digitalen Informationsportal zu überzeugen, sondern nur mit nachhaltigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen im Lehrerberuf: „Die Arbeitszeit muss spürbar gesenkt, die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden und Lehrer sowie alle Beamten müssen endlich wieder an der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst, ganz zu schweigen von der Wirtschaft, teilhaben – dies ist der Schlüssel für die Attraktivität des Lehrerberufs“, unterstrich Audritz. „Hier muss Minister Tonne ansetzen, wenn er mit seiner Werbekampagne Erfolg haben will.“