Gutachten des renommierten Rechtsprofessors Battis zur Erhöhung der Lehrerarbeitszeit wirft Landesregierung verfassungswidriges Handeln vor
Weil die rot-grüne Landesregierung ihre willkürliche und wortbrüchige Arbeitszeiterhöhung für Gymnasiallehrkräfte kompromisslos aufrechterhält, wird der Philologenverband Niedersachsen jetzt mit juristischen Mitteln dagegen vorgehen.
Mit dieser Ankündigung eröffnete die Lehrerorganisation am Dienstag vor der Presse in Hannover eine neue Runde der Auseinandersetzung mit der Landesregierung um die Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Gymnasiallehrer und Schulleiter an Gymnasien sowie um die Streichung der Altersermäßigung ab dem 55. Lebensjahr, die zum 1. August in Kraft treten sollen.
Kaum jemals habe eine Maßnahme einer Landesregierung eine solche Welle der Empörung und des einmütigen Protestes in der Lehrerschaft ausgelöst, unterstrich der Vorsitzende des Philologenverbandes, Horst Audritz. Nach der vielfältigen Zunahme der unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Belastung der Lehrkräfte in den letzten Jahren bei gleichzeitigen Einkommenseinbußen sei eine Stimmung des „Jetzt reicht´s!“ unter den Lehrern übermächtig. Sie wollten mehr Zeit für die Vorbereitung guten Unterrichts und ihre pädagogischen Aufgaben haben. Stattdessen bürde man ihnen immer neue Belastungen auf. In einer Vielzahl von Veranstaltungen und in zahllosen Gesprächen mit den verantwortlichen Politikern seien von vielen Seiten immer wieder treffende Argumente gegen die Arbeitszeiterhöhung vorgebracht worden. Diese guten Gründe habe die Landesregierung aber ebenso kompromisslos abgeschmettert wie sie die innerparteiliche Opposition in ihren eigenen Reihen abgewürgt habe.
Für seine geplante Beschreitung des juristischen Weges hat der Philologenverband mit Prof. Dr. Dr. h.c. Battis einen der bundesweit renommiertesten Verwaltungs- und Verfassungsrechtler gewinnen können, der auch die geplante Normenkontrollklage von betroffenen Lehrern gegen die Landesregierung selbst vertreten wird. Battis wirft in einem 50-seitigen Gutachten der Regierung vor, dass ihr Handeln gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes verstoße.
Zwar hätten, so Battis, die Gerichte bisher dem Dienstherrn der beamteten Lehrkräfte einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung der Arbeitszeit eingeräumt. Dieser dürfe aber nicht willkürlich und unter Missachtung des verfassungsrechtlich verankerten Fürsorgeprinzips ausgenutzt werden. Vielmehr habe sich der Dienstherr an der für Beamte generell geltenden Arbeitszeit zu orientieren und diese bei veränderten Umständen, beispielsweise gestiegenen Belastungen, entsprechend anzupassen.
Die bisherige Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, dass sich eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Dienstherrn bewege, wenn den Lehrkräften für außerunterrichtliche Tätigkeiten wenigstens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit verbleibe, hält Battis für nicht mehr vereinbar mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn die dabei angewandten pauschalen Berechnungsmethoden reduzierten das verfassungsrechtlich verankerte individuelle Klagerecht der Bürger gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt in unzulässiger Weise. Der Dienstherr habe vielmehr die Pflicht, die tatsächliche Arbeitszeit von Lehrkräften zu ermitteln und Veränderungen nachvollziehbar zu begründen. Dies habe aber die niedersächsische Kultusministerin abgelehnt.
Gerichte seien zunehmend nicht mehr gewillt, dass die Sanierung der öffentlichen Haushalte und die Finanzierung von Reformvorhaben der Politik überproportional zu Lasten der Beamtenschaft erfolgen, führte der Jurist weiter aus. Dies sei aus der in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltenen Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn nicht ableitbar. Mit der einseitigen Erhöhung der Pflichtstundenzahl – erstmals ausschließlich der Gymnasiallehrer – verlange die Landesregierung diesen ein sachlich nicht begründbares Sonderopfer ab. Dies stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes dar.
Battis hält auch die Argumentation von Kultusministerin Heiligenstadt, mit der Arbeitszeiterhöhung erfolge lediglich eine Verschiebung von Arbeitszeit vom außerunterrichtlichen in den unterrichtlichen Bereich bei gleichzeitiger Weigerung der Ministerin, zu konkretisieren, welche Aufgaben im außerunterrichtlichen Bereich entfallen sollten, für nicht rechtskonform. Es sei mit der Fürsorgepflicht unvereinbar, wenn der Dienstherr sich auf diese Weise aus seiner Regelungsverantwortung stehle und die Lehrkräfte in der Öffentlichkeit dem „Generalverdacht der Schlechtleistung“ aussetze.
Zur Streichung der vorgesehenen Altersermäßigung stellte Battis klar, dass Lehrkräfte zwar keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersermäßigung hätten, dass der Abbau einer bestehenden Altersermäßigung aber eine einseitige Erhöhung der Arbeitsbelastung älterer Lehrkräfte und damit ein ungerechtfertigtes Sonderopfer sei.
Ebenso im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Grundsätzen stehe die Arbeitszeiterhöhung für Schulleiter an Gymnasien, die zudem mit den stark gestiegenen Belastungen durch die Eigenverantwortliche Schule unvereinbar sei.
„Wir stehen Gewehr bei Fuß, die Klage einzureichen, sobald die geplante Arbeitszeitverordnung verkündet wird“, unterstrich der Philologenverbandsvorsitzende Audritz abschließend.
Hannover, 27.05.2014
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