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Qualitätsoffensive Inklusion – Kindeswohl vor Ideologie

by hermelingmeier

Von Diana Frenkel und Michaela Reuther

Die aktuelle Umsetzung der Inklusion in Niedersachsen vermittelt an vielen Stellen nicht den Eindruck, das Kindeswohl an erste Stelle zu setzen. Die Probleme sind für alle Beteiligten offensichtlich. Bei der Inklusion gehen Wunsch und Wirklichkeit an vielen Schulen auseinander. Aber anstatt eine Evaluation durchzuführen

und die Umsetzung der Inklusion wissenschaftlich zu begleiten, schreitet die Politik auf dem Rücken der Kinder und Lehrkräfte weiter voran und schafft mit der Abschaffung des bisher gut funktionierenden Förderschulsystems Tatsachen.

Die 2006 verabschiedete und 2008 ratifizierte UN-Behindertenkonvention unterstrich das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Dazu hat sich auch der PHVN wiederholt bekannt und klar formuliert, dass er die Ziele dieser Konvention unterstützt. Der PHVN betont aber auch zum wiederholten Male, dass die UN-Konvention keinerlei Aussagen dazu macht, in welchem Schulsystem diese Ziele erreicht werden sollen. Im Vordergrund muss das Kindeswohl stehen.

Es zeigt sich daher klar, dass die Inklusion in Niedersachsen viel zu überstürzt eingeführt wurde und dass die derzeitige Ausstattung der Schulen für die Erfüllung des Inklusionsauftrages seitens des Landes noch immer mehr als unzulänglich ist. Eine sonderpädagogische Förderung von Schülern mit entsprechendem Unterstützungsbedarf durch eine Förderschullehrkraft ist lediglich mit drei bis fünf Stunden pro Woche gesetzlich festgelegt – viel zu wenig für eine angemessene Unterstützung.

Hinzu kommt, dass der landesweite Fachkräftemangel inzwischen auch in den noch bestehenden Förderschulen angekommen ist und diese Stunden real oft gar nicht zur Verfügung stehen. Auffangen müssen diesen Mangel in erster Linie die Lehrkräfte in den Klassen. Das bedeutet, dass die Bedingungen an Schulen des

allgemeinbildenden Systems kaum den besonderen Bedürfnissen im Rahmen der Inklusion Rechnung tragen (können).

Auch die allgemeinen Bedingungen an den Schulen überfordern manchen Inklusionsschüler: Große Klassen, häufige Raum- und Lehrerwechsel. Die Bedingungen der Förderschulen, die diesen Kindern zugutekommen, lassen sich im allgemeinen Schulsystem kaum umsetzen. Ebenso wie die Lehrkräfte der allgemeinbildenden

Schulen leisten auch Förderschullehrkräfte oftmals Unermessliches. Aufgrund ihres Einsatzes haben sie einen

enorm hohen zusätzlichen zeitlichen Aufwand, um dem Förder- und Beratungsbedarf im Rahmen der Inklusion an Regelschulen nachzukommen.

Festzustellen bleibt, dass die Inklusion in Niedersachsen ideologisch gewollt ist. Notwendige Rahmenbedingungen aber werden nicht geschaffen und in der Realität werden die Schulen, die Lehrkräfte und auch die Familien weitestgehend allein gelassen. Für eine angemessene Umsetzung der Inklusion an Regelschulen in Niedersachsen stellte der PHVN in seiner auf der Vertreterversammlung 2019 in Goslar verfassten Resolution entsprechende Forderungen an die Politik. Ein ’Weiter so’ darf es nicht geben, die

derzeitigen unzumutbaren Bedingungen für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler müssen beseitigt werden.

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