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Endlich Lehrkräftebildung aus einem Guss ermöglichen

by hermelingmeier

Rabbow: „Auf einem Auge der Lehrerbildung ist die KMK völlig blind: Was ist eigentlich mit der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften?“
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat ein Reformpaket für die Lehrkräftebildung beschlossen. Hintergrund sind der massive Lehrkräftemangel in allen Bundesländern und die Möglichkeit flexiblere Wege in den Lehrberuf zu schaffen. Mit dem Beschluss können die Länder Ein-Fach-Lehrkräfte ausbilden sowie duale Lehramtsstudiengänge mit integriertem Referendariat und Quereinstiegs-Masterstudiengänge einführen.

Reformpaket ist mit heißer Nadel gestrickt und löst das Problem des Lehrkräftemangels nicht.

„Es ist gut, dass die Kultusministerinnen und -minister der Länder endlich die rosa-rote Brille abgesetzt und erkannt haben, dass ein Nachwuchsproblem bei Lehrkräften besteht. Jahrzehntelang wurde der Lehrkräftemangel von der KMK negiert und verschleiert. Endlich wird eingesehen, dass es so nicht weitergehen kann und man dem massiven Lehrkräftemangel begegnen muss“, erklärt Dr. Christoph Rabbow, Vorsitzender des Philologenverbandes Niedersachsen. Passend zum Frühling binde sich die KMK einen bunten Strauß von Einfachlehrern, dualem Studium und dem Quereinstiegs-Master zusammen. Grundsätzlich sei zu begrüßen, dass die KMK die Zeichen der Zeit erkannt habe und nun Maßnahmen ergreife. Inwieweit diese aber tatsächlich den Lehrkräftemangel beheben können, werde sich erst zeigen. „Für uns ist eine gehörige Portion Skepsis angebracht, da die vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen den Einstieg in den Lehrberuf vielleicht vereinfachen mögen, die Attraktivität des Berufsbildes aber nicht erhöhen. Zu befürchten sind vielmehr Disparitäten in den Kollegien durch ein Mehrklassensystem verschiedener Lehrkräfte. Auch die Frage, wie die Anerkennung der Studienabschlüsse zwischen den Ländern abläuft, ist noch nicht abschließend geklärt. Ob dann in München zählt, was und wie in Berlin ausgebildet wurde, darf keine Frage von Einzelmaßnahmen verschiedener Bundesländer sein. Damit wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Inwieweit die dann von der KMK ausgerufene besoldungs- und beamtenrechtliche Gleichstellung vor den Gerichten überhaupt stand hält, darf bezweifelt werden. Dies verdeutlicht vielmehr, dass die Maßnahmen eher mit heißer Nadel gestrickt als durchdacht sind“, kritisiert Rabbow.

Mit dualem Studium stellt sich die KMK gegen das Gutachten der eigenen Kommission.

Die Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der KMK hatte sich in einem Gutachten zur Lehrerbildung im Dezember für eine Trennung von Studium und Referendariat ausgesprochen und damit die eigenen Empfehlungen für ein duales Studium aus dem vergangenen Sommer revidiert. Der PHVN teilt die aktualisierte Einschätzung der SWK und bekräftigt, dass es mit den nun vorgelegten KMK-Beschlüssen mehr als unwahrscheinlich sei, den dringend nötigen Nachwuchs für die ausscheidenden Lehrkräfte generieren zu können. „Auch wenn in der KMK wieder eitel Sonnenschein herrscht, berücksichtigen die aktuellen Beschlüsse in keiner Weise die Vorstellungen junger Menschen, die sich für einen Lehramtsstudiengang entscheiden“, betont der Verbandsvorsitzende.

Zukünftige Lehrkräfte wollen Struktur und Sicherheit im pädagogischen Handeln.

Richtig sei, dass die Lehrkräfteausbildung modernisiert werden müsse. „Eine stärkere Verzahnung der ersten und zweiten Phase ist dringend geboten, dazu gehören auch erhöhte Praxisanteile in Bachelor- und Masterstudiengang, die durch die Studienseminare im Land begleitet werden müssen. Erst dann wäre eine echte Verzahnung zwischen Studium und Vorbereitungsdienst überhaupt gewährleistet“, fordert Rabbow. Dass MWK und MK in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe über eine Veränderung der Lehrkräfteausbildung in Studium und Referendariat nachdenken, sei sinnvoll, allerdings sei das Ergebnis über den rot-grünen Koalitionsvertrag bereits vorweggenommen. „Es wird in Niedersachsen auf eine Stufenlehrerausbildung hinauslaufen, denn genau das sind die Vorgaben aus den Ministerien von Falko Mohrs und Julia Willie Hamburg. Bedauerlich, dass man hier nicht ergebnisoffener an die Sache herangeht, zumal auch der Chef der SWK der KMK, Professor Köller, immer wieder betont, dass eine Veränderung der Ausbildungsstruktur überhaupt keinen Mehrwert hat. Diese Erkenntnis ist nicht neu und das vertritt der PHVN seit Jahrzehnten“, so Rabbow und schlägt vor: „Die Flexibilität zum Verschieben von Lehrkräften darf nicht Fokus einer Ausbildungsreform sein, vielmehr muss auf der Basis soliden fachlichen Wissens eine Professionalisierung gewährleistet werden, die zukünftigen Lehrkräften Struktur und Sicherheit für ihre berufliche Handlungskompetenz eröffnet, um den heutigen Anforderungen im Schulalltag gerecht zu werden. Wenn man zudem Zulassungsbeschränkungen für das Lehramtsstudium abbauen, Stipendien während des Lehramtsstudiums vergeben und die Bezüge während des Vorbereitungsdienstes erhöhen würde, gelänge es mehr junge Menschen für ein Lehramtstudium zu begeistern.“

Lehrkräftebildung ist mehr als Ausbildung: Fort- und Weiterbildung sind Säulen der Professionalität.

„Auf einem Auge der Lehrerbildung ist die KMK derzeit völlig blind: Was ist eigentlich mit der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften?“ gibt Rabbow zu bedenken. Neben einer fundierten Ausbildung erfüllten auch Fort- und Weiterbildungen wichtige Funktionen des professionellen Handelns. „Wir sollten nicht nur vom lebenslangen Lernen schwadronieren, sondern es auch selbst vorleben. Dazu wären allerdings Konzepte für Fort- und Weiterbildung notwendig.“

Wem nütze es, wenn das Fach Informatik in den Schulen verpflichtend eingeführt wird, aber die Möglichkeit des Sprintstudiums abgeschafft wurde und Lehrkräfte das Fach aus Interesse fachfremd unterrichten? Fortbildungen zum Einsatz künstlicher Intelligenz im Unterricht mit unter 100 Plätzen für 68500 niedersächsische Lehrkräfte anzubieten, sei weniger als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Diese Beispiele verdeutlichten, dass es viel zu tun gäbe, aber im Bereich von Fort- und Weiterbildung lasse man die Lehrkräfte bislang allein. Die Wirtschaft habe längst erkannt, dass attraktive Rahmenbedingungen der Aus-, Fort-, Weiterbildung einen Wettbewerbsvorteil darstellten und nutze diese mit Erfolg, um die junge Generation für sich zu gewinnen.

„Wer Lehrerbildung wirklich ernst nimmt, muss ein ganzheitliches Lehrerbildungskonzept, das auf dem Fundament einer schulformbezogenen Ausbildung fußt und als tragende Säulen für lebenslanges Lernen professionell durchgeführte Fortbildungen sowie Möglichkeiten der Weiterbildung eröffnet, zum Ziel haben. Was also fehlt, ist Lehrkräftebildung aus einem Guss, nur so wird man im längst entbrannten Kampf um die klugen Köpfe vorne mitspielen“, fordert Rabbow abschließend.

 

Hannover, 2. April 2024

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