Home Aktuelles Rabbow: „Wir brauchen Leistungsträger, keine Bedenkenträger“

Rabbow: „Wir brauchen Leistungsträger, keine Bedenkenträger“

by hermelingmeier

Das erste Halbjahr des Schuljahres 2023/24 ist morgen gelaufen, die Schülerinnen und Schüler bekommen ihre Halbjahreszeugnisse und bis heute wurden immer noch keine Zahlen zur Unterrichtsversorgung im Land Niedersachsen vom Kultusministerium veröffentlicht. Dazu äußert sich der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Dr. Christoph Rabbow:

„Wenn Frau Ministerin Hamburg morgen in einer Pressekonferenz von 95 oder 96 Prozent Unterrichtsversorgung spricht, dann ist das nicht nur ernüchternd, sondern zeigt auch, dass man sich im letzten Jahr von Seiten des Ministeriums zu wenig bemüht hat, gegen den Lehrkräftemangel im Lande vorzugehen. Eine Werbung für den Seiteneinstieg in den Lehrberuf oder Rückholaktionen aus dem Ruhestand waren nicht zielführend, um das Fehl an Lehrkräften zu decken. Um Krankheiten und Ausfälle in den Kollegien zu kompensieren, bräuchten wir eine Unterrichtversorgung von mindestens 110 Prozent. Davon sind wir meilenweit entfernt, so dass auch im nächsten Schulhalbjahr ein massiver Unterrichtsausfall vorprogrammiert ist. Von der anfänglichen Aufbruchsstimmung der Ministerin ist heute nur noch wenig zu spüren.

Welche Konsequenzen zu wenig Lehrkräfte im System Schule bedeuten, merken wir nicht erst bei internationalen Leistungsstudien. PISA-2022 hat uns eindrücklich vor Augen geführt, was es heißt, wenn der Leistungsgedanke aus den Schulen verschwindet. Wenn der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens ein „Bekenntnis zum Leistungsprinzip“ in Grundschulen fordert, weil bereits dort die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schullaufbahn gelegt werden, dann ist dem nichts hinzuzufügen. Nicht nur die kognitiven, auch die motorischen Fähigkeiten von Kindern der Grundschulen haben erheblich abgenommen. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Handschrift, sondern auch beim Umgang mit Lineal, Schere oder Zirkel. Wenn die Grobmotorik schon nicht funktioniert, wie soll es dann mit der Feinmotorik klappen? Man kann die Funktion der Aufgabenkultur von PISA für das Bildungssystem zwar bemängeln, nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse mehr als ein Warnsignal. Warum sind Schülerinnen und Schüler in der benachbarten Schweiz über ein Jahr weiter als deutsche? Bildungspolitisch Interessierte müssten dieser Frage doch ernsthaft nachgehen und sich mit den Eidgenossen auseinandersetzen. Aus dem Ministerium hört man hier gar nichts, dabei wusste schon Wilhelm Tell, dass sich früh übt, was ein Meister werden will. Das gilt heute nach wie vor und genau deswegen ist das Leistungsprinzip Garant für eine gute schulische Bildung und ein besseres Abschneiden bei PISA, IGLU und Co.

Ohne Leistung werden wir nicht nur bei Vergleichsstudien, sondern auch wirtschaftlich international abgehängt. Wir brauchen Leistungsträger, keine Bedenkenträger. Nur so können wir dem Abbau von Wohlstand entgegenwirken und den sozialen Frieden bewahren. Bauern und Bürger gehen auf die Straße und es werden mehr werden, wenn Politiker in Land und Bund so weiter wurschteln wie bisher. Auch hier lässt sich bei Schiller nachlesen: „Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten“.

Man müsste sich in Land und Bund endlich mal trauen, die richtigen Reformen anzupacken. Dies gilt für Schule und Gesellschaft im gleichen Maße. Vor allem wünsche ich mir nicht nur bei den Schülerinnen und Schüler eine bessere Leistung, sondern auch bei unseren Volksvertretern.“

Hannover, 30. Januar 2024

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