Wege aus dem bildungspolitischen Stillstand, der sich auch zwei Jahre nach Regierungsantritt der großen Koalition in Niedersachsen fortsetzt, hat der Philologenverband auf seiner zweitägigen Vertreterversammlung in Goslar mit richtungsweisenden Beschlüssen aufgezeigt. Digitalisierung, Inklusion, Abitur und Arbeitsbedingungen standen dabei für die über 300 Delegierten aus den niedersächsischen Gymnasien, Gesamtschulen und Studienseminaren im Mittelpunkt der Beratungen. „Wir verlieren uns nicht in Runden Tischen, sondern haben eine klare Perspektive für den Bildungsstandort entworfen. Der Kultusminister ist herzlich eingeladen unserem Vorbild zu folgen, unsere Beschlüsse als Vorlage zu nutzen, um endlich die drängenden Probleme in unseren Schulen anzugehen“, erklärte Verbandsvorsitzender Horst Audritz zum Ende des Philologentages.
Mit der Forderung einen Digitalpakt 2.0 aufzulegen, der eine Anschlussfinanzierung von Bund und Ländern und somit eine nachhaltige Entwicklung bei der Umsetzung der Digitalisierung gewährleiste, verdeutlichte der Philologenverband, dass die bisherige Ausgestaltung des Paktes nur als erster Aufschlag gelten können. „Technische Ausstattung und Lehrerprofessionalität müssen Hand in Hand gehen, wenn wir die Chancen der digitalen Bildung nutzen und ihre Herausforderungen meistern wollen. Die schleppende Budgetanforderung aus den niedersächsischen Schulen liegt nicht am mangelnden Willen, sondern an den vielen ungeklärten Fragen rund um Administration, Datenschutz und Einbindung in den Unterricht“, betonte Audritz. In all diesen Punkten müsse es ein strukturierteres Umsetzungsverfahren geben als bisher, vor allem aber rechtliche Sicherheit für Schulen und Lehrkräfte.
Dringende Verbesserungen forderte der Verband einmal mehr bei der Umsetzung der Inklusion. „Wenn wir nicht endlich im Sinne des Kindeswohles entgegensteuern, dann scheitert die Inklusion an unseren Schulen vollends. Die Politik darf die vielen Hilferufe nicht länger ignorieren und verharmlosen“, forderte Audritz. Die Lehrerinnen und Lehrer würden nach wie vor mit den vielfältigen Problemen allein gelassen, da die Bedingungen an Schulen des allgemeinbildenden Schulwesens weder sachlich, noch personell den besonderen Bedürfnissen einer umfassenden Inklusionsschule Rechnung trügen. Es sei keineswegs so, dass sich die Gymnasien – wie oft behauptet – der Inklusion entziehen würden. Die geringeren Anmeldezahlen durch die Eltern zeigten vielmehr, dass diese eine gute Einschätzung hätten, ob ihre Kinder mit Aussicht auf Erfolg gymnasial beschult werden können. „Wer an dieser Stelle feste Anmeldequoten für die Gymnasien ungeachtet der individuellen Voraussetzungen fordert, der handelt unpädagogisch, unprofessionell und unverantwortlich. Für uns gilt: Inklusion ja – Bevormundung nein!“, so der Vorsitzende.
Weitere Schwerpunkte legte der Philologentag darauf, besser Lern- und Arbeitsbedingungen für Lehrer und Schüler einzufordern. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes müsse für alle Lehrkräfte, auch mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung, deutlich gesteigert werden. Es fehle immer noch eine langfristige, schulformspezifische Bedarfs- und Ausbildungsplanung. „Ein Lehrermangel wie wir ihn derzeit erleben, mit aberwitzigen Abordnungsszenarien, darf gar nicht erst entstehen. Der Kultusminister muss endlich Wort halten und darf nur noch in absoluten Ausnahmefällen Lehrkräfte abordnen“, fordert der Verbandsvorsitzende. Besonders mit Blick auf das Abitur 2021 und der Rückkehr zu G9 müsse sichergestellt sein, dass alle Lehrkräfte wieder an ihren Stammschulen eingesetzt werden.
Mit Nachdruck forderte die Vertreterversammlung die Landesregierung erneut auf, endlich die längst überfälligen Arbeitszeitentlastungen umzusetzen. Eine strikte Einhaltung der Arbeitszeitregelungen bei Voll- und Teilzeitkräften allgemein wie auch bei Funktionsinhabern im Besonderen müsse gewährleistet werden. „Gerade im Bereich der Teilzeitkräfte ist es zur Normalität geworden, dass diese beispielsweise durch ungünstige Stundenpläne, Springstunden, Konferenzen oder Dienstbesprechungen weit über ihre Arbeitszeitverpflichtungen hinausgehen. Wir brauchen hier einen neuen, angepassten Teilzeiterlass, der aber keineswegs zu Lasten der Vollzeitbeschäftigten gehen dürfe, wie das bisher in Teilen der Fall ist“, so Audritz. Solange es keine landesweit verbindlichen und konkreten Handlungsanweisungen für Entlastungen gebe, herrsche weiterhin Unsicherheit.
„Land und besonders der Kultusminister haben als Dienstherren endlich ihren Verpflichtungen nachzukommen. Unsere Lehrkräfte brennen mit ihrem Engagement für ihren Beruf, dafür haben sie Wertschätzung und angemessene Arbeitsbedingungen mehr als verdient, das muss eine Selbstverständlichkeit sein“ so Audritz anschließend.
Goslar, 28. November 2019