Home Stellungnahmen Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) sowie zum Entwurf der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Auftragswertgrenzen und Verfahrenserleichterungen zum Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz (Niedersächsische Wertgrenzenverordnung – NWertVO)

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) sowie zum Entwurf der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Auftragswertgrenzen und Verfahrenserleichterungen zum Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz (Niedersächsische Wertgrenzenverordnung – NWertVO)

by hermelingmeier

Einleitende Anmerkungen
Schulfahrten, insbesondere Klassen- und Kursfahrten sowie andere schulische Ausflüge, sind kein „Beschaffungs-akt“ im Sinne der hier zu betrachtenden Rechtsvorschriften, sondern primär pädagogische Maßnahmen. Sie sind integraler Bestandteil des staatlichen Bildungsauftrags und dienen der Persönlichkeitsentwicklung, der sozialen Förderung und dem interkulturellen Lernen. Wenn diese Veranstaltungen durch das Vergaberecht als „Dienstleis-tungsbeschaffungen“ behandelt werden, wird das Wesen schulischer Bildung verkannt – und das mit schwerwie-genden Folgen für alle Beteiligten.

Ziel der gesetzlichen Regelungen ist, dass öffentliche Aufträge im Wettbewerb sowie im Wege transparenter Ver-fahren vergeben und dabei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Dabei ist in den vergaberechtlichen Vorschriften insbesondere geregelt, wie öffentliche Auftraggeber bei der Beschaf-fung vorzugehen haben. Der Philologenverband Niedersachsen bezweifelt auch weiterhin, dass diese Zielrichtung im Bereich der Schulfahrten sinnvoll anzuwenden ist. Bereits im Sommer 2023 haben wir u.a. in einem rechtlichen Artikel in der August-Ausgabe der Publikation PHVN aktuell deutlich Stellung bezogen und die Niedersächsische Kultusministerin bzw. die Landesregierung aufgefordert, die Regelung für Schulfahrten anzupassen. Als Reaktion auf diese öffentliche Kritik hat im November 2023 auf dem Philologentag der Staatssekretär Marco Hartrich An-passungen angekündigt. Ein wichtiges Signal, dessen Umsetzung nochmals rund 17 Monate auf sich warten ließ.

Mit den beabsichtigten Änderungen des NTVergG sowie der NWertVO, u.a. der generellen Anhebung der Wert-grenze für Direktaufträge auf 20.000 Euro, wird ein lange überfälliger Schritt unternommen, der auch zu einer (rechtssicheren) Entlastung der Lehrkräfte in Niedersachsen führen wird – ein wichtiges und stetiges Ziel des Phi-lologenverbandes Niedersachsen. Noch erfreulicher sind in diesem Kontext auch die ergänzenden Änderungen in der Niedersächsischen Wertgrenzenverordnung. Danach soll die Direktauftragsgrenze für Schulen – öffentlich wie in freier Trägerschaft – auf 100.000 Euro angehoben werden. Ein erheblicher Sprung im Vergleich zu der bisheri-gen Grenze von 1.000 Euro.

So erfreulich diese Entwicklung auch ist – sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine solche Regelung deut-lich früher und aus eigenem Antrieb der Landesregierung hätte erfolgen müssen. Stattdessen mussten Lehrkräfte, Eltern und Verbände über Monate hinweg auf eine Gesetzesänderung warten, während das Risiko und der büro-kratische Aufwand im Schulalltag weiter stiegen.

Der Philologenverband Niedersachsen fordert daher:
Die zügige Verabschiedung der geplanten Neuregelung ohne weitere Verzögerungen.
Eine klare und verständliche Kommunikation der neuen Regelungen gegenüber den Schulen – nicht nur im Schulverwaltungsblatt, sondern aktiv über die Dienstwege.
Eine verstetigte Beteiligung der Verbände bei der Ausgestaltung vergaberechtlicher Vorschriften im schu-lischen Kontext.

Die jetzt angekündigte Änderung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch sie zeigt auch: Nur durch beharrlichen Druck aus der Praxis lässt sich eine realitätsnahe und entlastende Bildungspolitik durchsetzen.

Trotz des Erfolges für die Lehrkräfte und den Philologenverband Niedersachsen bleibt unsere Maximalforderung weiterhin bestehen: Schulfahrten müssen grundsätzlich aus den strikten Vorgaben des Vergaberechts ausgenom-men werden.

Endlich zutreffend erkannt wurde,

1. dass Schulen keine Vergabestellen im klassischen Sinne sind. Sie haben keine eigenen Beschaffungsab-teilungen, keine juristisch geschulten Vergabeexpertinnen und -experten und keine IT-Systeme, um for-malisierte Ausschreibungsverfahren professionell abzuwickeln. Und dennoch wurden sie verpflichtet, für einfachste Dienstleistungen aufwendige Verfahren zu durchlaufen, die selbst in großen Kommunalver-waltungen als Herausforderung gelten. Wenn Lehrkräfte mehr Zeit damit verbringen müssen, Ausschrei-bungen zu schreiben statt Unterricht vorzubereiten, läuft etwas grundlegend falsch;

2. dass es für viele Fahrten – insbesondere in ländlichen Regionen – nur wenige oder sogar nur ein einziges Busunternehmen oder Anbieter von Unterkünften gibt. Ein „Vergleich von Angeboten“ ist somit oft fak-tisch unmöglich. In diesen Fällen zwingt das Vergaberecht die Schulen in einen Scheinwettbewerb, der lediglich Ressourcen bindet, aber keinen Mehrwert bringt. Die Landesregierung verkennt daher erfreuli-cherweise nicht mehr, dass die Realität auf dem Markt in großen Teilen nicht zum Sinn und Zweck des Vergaberechts passt;

3. dass die Kosten für Schulfahrten grundsätzlich vollständig von den Erziehungsberechtigten getragen wer-den. Es ist daher wenig nachvollziehbar, warum der Staat hier ein formelles Vergabeverfahren erzwingt. Wo kein staatliches Geld fließt, braucht es auch keine staatliche Vergabe;

4. dass es bei Schulfahrten nicht nur um den günstigsten Preis geht. Pädagogische Kriterien wie Sicherheit, Barrierefreiheit, Gruppenfreundlichkeit, Vertrauen in den Anbieter und Erfahrungswerte stehen im Vor-dergrund. Diese Aspekte lassen sich nicht in einem starren, formalisierten Vergabeverfahren abbilden;

5. dass die Durchführung eines rechtssicheren Vergabeverfahrens für Klassen- und Kursfahrten – inklusive Dokumentation, Angebotsauswertung und Begründung – in keinem Verhältnis zum Wert der Leistung steht. Der bürokratische Aufwand übersteigt in vielen Fällen die eigentlichen Fahrtkosten. Lehrkräfte wer-den so zu Verwaltungsfachleuten gemacht, obwohl sie für diese dieser Aufgabe weder geschult noch ausgestattet sind.

Bildung ist kein Markt. Der Versuch, pädagogische Prozesse in marktförmige Regelwerke zu pressen, läuft dem Bildungsauftrag diametral entgegen. Sie dürfen nicht länger als Beschaffungsvorgänge unter das Vergaberecht fallen. Eine klare gesetzliche Ausnahme ist überfällig – aus Gründen der Praktikabilität, Gerechtigkeit und vor allem im Sinne einer kindgerechten Bildungspraxis.

Im Einzelnen
Zu § 5 Abs. 4 NWertVO
Der Philologenverband Niedersachsen sieht trotz der positiven Veränderung speziell für Schulen noch Änderungs-bedarf im Absatz 4 der Regelung. So kann der Satz 3 im Einzelfall für ländliche Schulen zu einem Problem führen unter verschiedenen Auftraggebern zu wechseln, wenn es diese Auswahl tatsächlich nicht gibt. Wir empfehlen hier daher eine entsprechende Anpassung.
Weiterhin wiederholen wir die Notwendigkeit des Bürokratieabbaus im Schulwesen. Mit Satz 4 und der darin fest-geschriebenen starren Dokumentationspflicht zur Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsam-keit (z.B. Marktkenntnis, Marktüblichkeit von Preisen), werden Lehrkräfte weiterhin belastet. Dass schulische Maß-nahmen und Veranstaltungen den haushaltsrechtlichen Grundsätzen unterliegen, bedarf unseres Erachtens inso-weit keiner gesonderten Pflichtbenennung.

Hannover, April 2025

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