Im Runderlass des Kultusministeriums vom 14. Juli 2021 ist zu lesen:
„In einem Zeitraum bis zu den Herbstferien ermitteln und dokumentieren die Fachlehrkräfte die Lernausgangslage der Schülerinnen und Schüler. Die Feststellung der Lernausgangslage umfasst eine Soll-Ist-Analyse des Lern- und Entwicklungsstandes der Schülerinnen und Schüler, eine Ermittlung der Stärken sowie der positiven Entwicklungen und Erfahrungen, die die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Corona-Krise gemacht haben.“
Wie das genau gemacht werden soll, wird nicht näher gesagt. Ist ein differenzierter Fragebogen zu entwickeln, reichen Eindrücke der Lehrkräfte aus dem Unterrichtsgespräch, in welcher Form sollen Auswertung und Dokumentation erfolgen? – Bei 150 bis 200 Schülerinnen und Schülern kann das leicht zu einer bürokratischen Mammutaufgabe werden, die nicht so einfach neben der täglichen Unterrichtsarbeit zu schultern ist. Tests und Klassenarbeiten dürfen dafür jedenfalls nicht herangezogen werden. Es geht grundsätzlich um ein individuelles, persönliches Gutachten für jeden Schüler und jede Schülerin, also um hohe Ansprüche mit einer enormen Zusatzbelastung. Die groben Hinweise zum Verfahren reichen jedenfalls nicht aus, um die Arbeit zu erleichtern. Zu sehr setzt man hier wieder einmal auf den guten Willen der Lehrkräfte. „Ein auf die niedersächsischen Vorgaben abgestimmter Aufgabenpool für die Lernstandserhebungen in jedem Jahrgang mit Angabe der jeweiligen Inhalte, Kompetenzen und Anforderungsbereiche wäre toll gewesen. Auch konkrete Auswertungshilfen hätten geholfen. So kocht wieder jede Schule ihr eigenes Süppchen“, so eine repräsentative Rückmeldung unserer Lehrkräfte.
Wenn mehr als ein Papiertiger aus der verbindlichen Feststellung der individuellen Lernausgangslage herauskommen soll, dann sind dringend Nachbesserungen nötig. Sonst werden Erwartungen geweckt, die nicht einlösbar sind. Es wäre wünschenswert, wenn Schulleitungen, Eltern und Lehrkräfte hier an einem Strang ziehen und das Machbare realistisch einschätzen, um zusätzliche Belastungen so gering wie möglich zu halten. Theorie und Praxis sind leider oft zwei Paar Schuhe. Idealismus ist gut, Pragmatismus ist besser.
Wir erwarten zudem, dass Mehr- und Überbelastungen der Lehrkräfte, jetzt noch einmal gesteigert, zeitnah ausgeglichen werden. Die Pandemie darf kein Vorwand sein, bereits seit Jahren notwendige Entlastungen und bessere Arbeitszeitregelungen auf die lange Bank zu schieben.
Text von Horst Audritz