Kleine Schritte nützen wenig – MK muss endlich zum großen Sprung ansetzen und Ausbildung, Referendariat und Einstellungen reformieren
Mit einer neuen Kampagne wirbt der Philologenverband Niedersachsen dafür, mehr junge Lehrkräfte in den ländlichen Raum zu bringen. „Fächerkombination, Schulform und Standort sind Kriterien junger Lehrkräfte, die bei der Entscheidung für die Einstellung auf eine Planstelle eine wesentliche Rolle spielen. Passt ein oder passen mehrere Faktoren nicht zur Vorstellung, wird die Stelle nicht angetreten. Das führt in Zeiten des Fachkräftemangels in einem Flächenland wie Niedersachsen zu einer besonderen Herausforderung“, stellt Dr. Christoph Rabbow, Vorsitzender des PHVN, klar. Das bloße Bereitstellen von Planstellen reiche eben nicht aus, um jeder Lehrkraft ein adäquates Angebot zu unterbreiten. Dies habe die letzte Einstellungsrunde wieder einmal verdeutlicht. „Die Zeiten kultusministerieller Planwirtschaft sind endgültig vorbei und werden auch nicht wiederkommen, jetzt gilt das Gesetz des Marktes, es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Solange das nicht begriffen wird, kann man die Unterrichtsversorgung nicht heben, sondern höchstens auf niedrigem Niveau stabilisieren. Hier muss endlich mehr Kreativität und Initiative im Bemühen um junge Lehrkräfte durch das Ministerium erfolgen.“
Ausbildungskapazitäten an Seminaren besser ausnutzen und Lehrkräfte in die Fläche bringen
Es gebe beliebtere und weniger nachgefragte Studienseminare in Niedersachsen. Das zeige sich bei den Wünschen zum Einsatzort von Lehrkräften ebenso wie bei den Zuweisungen an die Studienseminare. „Es muss endlich eine konkrete Werbung für Flächenseminare geben. Nur so gelingt es, zukünftig auch mehr Lehrkraft in den ländlichen Raum zu bringen“, betont Rabbow. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, daher handeln wir mit einer eigenen Werbekampagne. Eine Nachahmung durch das Ministerium ist ausdrücklich erwünscht!“
Der Verband werbe mit jungen Lehrkräften, die sich für eine Ausbildung oder Anstellung im ländlichen Raum entschieden haben. Es gebe viele gute Gründe, sich bewusst für einen Standort in der Fläche zu entscheiden. Nicht nur der bessere Betreuungsschlüssel an den Seminaren, die kleineren Schulen im ländlichen Raum oder ein besonders guter Naherholungswert in direkter Umgebung sprechen für sich. „Zweifelsohne muss es eine Lenkung geben, um das Stadt-Land-Gefälle aufzubrechen. Gezielte Zuweisungen an Studienseminare in der Fläche durch die verantwortlichen Behörden, aber auch eine Steuerung bereits während des Studiums, wären zentrale Stellschrauben“, wirbt Rabbow.
Wer in der Ausbildung nicht bereits die Vorzüge von Landschulen erfahren habe, werde später kaum noch dazu bewegt werden können, in die Fläche zu gehen. „Mit der Einführung eines Praxissemesters im Masterstudiengang, das die Flächenseminare bevorzugt bedient, kann eine Lenkung in den ländlichen Raum erfolgen. Dies führt zu einem „Klebeeffekt“. Erfahrungsgemäß können zwei von drei Lehrkräften aus dem Vorbereitungsdienst in der Fläche gehalten werden. Man muss die Vorteile des Landlebens kennen, um sich dafür zu entscheiden“, stellt Rabbow klar.
Lehrkräfteausbildung: Mit besserer Verzahnung gegen den Praxisschock
„Wir können mit der notwendigen Reform der Lehrkräfteausbildung nach unserem „6+18“-Modell zudem weitere positive Effekte erzielen: Der Praxisschock zum Ende des Studiums wird vermieden, das Stadt-Land-Gefälle wird abgemildert und die Unterrichtsversorgung durch einen maßvoll erhöhten Anteil eigenverantwortlichen Unterrichts der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst verbessert. Das ist wirklich ein dreifacher Gewinn“, erläutert Rabbow.
Es müsse nun eine Neuausrichtung von erster und zweiter Phase der Lehramtsausbildung erfolgen, in der den Studienseminaren eine Schlüsselfunktion zwischen Studium und Berufseinstiegsphase zukomme. Studienseminare seien Kompetenzzentren für Praxis und Theorie von Unterricht und Schule. „Durch eine bessere Begleitung der Studierenden im Bachelor- und Master-Studiengang kann erreicht werden, dass einerseits deutlich weniger als zur Zeit 40 Prozent der Lehramtsstudierenden das Studium in den ersten beiden Studienjahren abbrechen und andererseits die fachwissenschaftlich bereits weit vorangeschrittenen Praxisstudierenden durch erste Erfahrungen in den Studienseminaren voll im System „Seminar-Schule“ integriert wären. Eine entsprechend entwickelte Sicherheit im Praxissemester minimiert den Praxisschock im Vorbereitungsdienst und schafft früh Möglichkeiten ein Netzwerk aufzubauen. Auch nach der Ausbildung kann das Studienseminar junge Lehrkräfte in der Berufseinstiegsphase durch Fort- und Weiterbildungsangebote begleiten“, skizziert Rabbow die Reformvorschläge des PHVN.
„Unsere Pläne liegen auf dem Tisch, Frau Hamburg muss nur zugreifen. Ihr Weg der tausend kleinen Schritte reicht nicht aus, um die enormen Herausforderungen in Niedersachsens Schulen zu lösen, es braucht endlich den großen Sprung. Mit unserem fertigen, am Ende weitgehend kostenneutralen Konzept bieten wir abermals unsere Expertise und Unterstützung an“, betont der Vorsitzende des PHVN.
Hannover, 12.02.2025