Home Aktuelles Rabbow: „Zu enge Terminierung der Abiturprüfungen bei Fächergruppen verursacht Stress bei Prüflingen. Gefährdungsanzeigen Braunschweiger Lehrkräfte demonstrieren, der Druck im System ist zu groß.“

Rabbow: „Zu enge Terminierung der Abiturprüfungen bei Fächergruppen verursacht Stress bei Prüflingen. Gefährdungsanzeigen Braunschweiger Lehrkräfte demonstrieren, der Druck im System ist zu groß.“

by hermelingmeier

Der Vorsitzende des Philologenverbandes, Dr. Christoph Rabbow, äußert sich zum bisherigen Abiturprüfungsverlauf in Niedersachsen:

„Es geht jetzt Schlag auf Schlag. Abiturarbeiten werden korrigiert, diese dann an die weiteren Mitglieder der Prüfungskommission übergegeben und nebenbei werden von den Lehrkräften die Vorschläge für die mündlichen Prüfungen erstellt. Da die Osterferien in diesem Jahr spät lagen, läuft jetzt im Mai die Arbeit auf Hochtouren und das zieht sich noch bis weit in den Juni hinein. Nebenher  muss das schulische Alltagsgeschäft sichergestellt werden. Kolleginnen und Kollegen aus Braunschweig haben den Mut bewiesen, Gefährdungsanzeigen zu stellen. Das ist ein Hilferuf. Wenn die Ministerin dazu lediglich meint, Be- und Überlastung beträfe nur wenige, dann irrt sie gewaltig.

Es ist Normalität, dass bis Juni kein Wochenende ohne Korrekturen verbleibt. Es ist mehr als grenzwertig, wenn nicht mehr ausreichend Ruhephasen zur Verfügung stehen. Frau Hamburg hat keine Ahnung, was in dieser belastenden Zeit alles auf die Lehrkräfte zukommt und es ist zu befürchten, dass es sie auch nicht wirklich interessiert. Allein aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen müsste die Ministerin eingreifen. Wenn sie aber einen solchen Hilferuf nicht einmal zum Anlass nimmt, ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, dann muss man sich ernsthaft fragen, ob sie ihrem Amt gewissenhaft nachgeht. Eine einfache erste Entlastungsmöglichkeit wäre es, das leidige Zählen von Minusstunden nach dem Abitur – weil Unterricht im Prüfungsjahrgang nicht mehr erteilt wird – zu beenden. Nach der intensiven Arbeit in der Prüfungsphase können die Korrigierenden dies nur als Hohn begreifen.

LSR beklagt eine zu enge Taktung bei Prüfungsfächern – das lässt sich in Zukunft ändern

Eine erste Auswertung verdeutlicht, dass es auch in diesem Jahr einige Probleme gab und dabei ist der Zahlentausch im Erdkundeabitur nur einer von vielen Aspekten. Als äußerst unglücklich erwies sich die enge Taktung der schriftlichen Abiturprüfungen in den drei Naturwissenschaften an drei direkt  aufeinanderfolgenden Tagen. Viele Schüler belegen naturwissenschaftliche Kombinationen aus Biologie/Chemie oder Chemie/Physik. Da blieb den Prüflingen keine Zeit zum Durchatmen. Warum gibt es eine vernünftige Terminlegung für den Nachschreibtermin, nicht aber für den Haupttermin, an dem viel mehr Schüler beteiligt sind? Wenn die Biologieklausur nicht gut gelaufen ist, haben die Schülerinnen und Schüler kaum Zeit, sich auf die nächste Prüfungssituation einzulassen.

Ebenso ungünstig war zudem, dass die ersten fünf Termine alle vor den in diesem Jahr spätliegenden Osterferien lagen und es zwischen den Weihnachts- und den Osterferien bis auf die Halbjahresbefreiung keine unterrichtsfreie Zeit gab. Dadurch hatten Prüflinge mit Prüfungen in naturwissenschaftlichen Fächern das Nachsehen. Die Klagen des Landesschülerrates sind nachvollziehbar und die Forderungen nach einer breiteren Streckung bestimmter Fächerkombinationen finden unsere volle Unterstützung. Auch die durch das MK veröffentlichten Veränderungen bei den Prüfungsterminen für 2026 und das Vorschalten von zwei prüfungsfreien Tagen vor den Abiturprüfungen in den drei Naturwissenschaften helfen nur bedingt. Das Problem der zeitlichen Nähe bei den MINT-Fächern mit drei Prüfungen an drei aufeinanderfolgenden Tagen besteht nach wie vor. Man muss sich wirklich fragen, warum man in Absprache mit anderen Bundesländern nicht zwischen die drei Prüfungstage jeweils einen prüfungsfreien Tag legen kann. Wenn das Fach Chemie im nächsten Jahr erneut das letzte Prüfungsfach im MINT-Kanon ist, darf man sich nicht wundern, dass Vorbereitungen zu kurz kommen und die Chemie am Ende nicht stimmt.

Länge der Aufgabenstellungen und des Materials überprüfen: Weniger ist manchmal mehr

Ein weiteres Problem war die Länge der Aufgabenstellungen. In diesem Jahr wurde die Aufgabenkultur in den naturwissenschaftlichen Fächern umgestellt. Dadurch gab es deutlich mehr Teilaufgaben als in den Jahren zuvor. In letzter Konsequenz kamen die Schüler in Zeitnot und Rückmeldungen aus den Schulen zeigen uns, dass die Aufgaben nicht vollumfänglich bearbeitet werden konnten. Hier muss im nächsten Jahr ein besonderes Augenmerk auf die durch das MK vorgelegten Aufgabenvorschläge gelegt werden. Es geht um einen angemessenen zeitlichen Rahmen. Bei den Aufgaben darf es nicht um Quantität gehen, es muss um Qualität gehen. Hier lässt sich unnötiger Stress bei Schülerinnen und Schülern sowie bei Lehrkräften vermeiden.

Wir fordern, wie im letzten Jahr, eine grundsätzliche Überprüfung des Umfangs von Materialien. Es werden oft reine Informationsseiten ohne großen fachlichen Mehrwert ausgegeben. Für eine auf Leistungen basierende Abiturprüfung ist dies nicht zielführend. Auch hier sollte gelten: Weniger ist mehr.

Online-Petitionen im Vorfeld der Abiturprüfungen sind völlig sinnbefreit

Es war bisher schon üblich, dass nach Abiturprüfungen online-Petitionen erstellt wurden, die den Unmut von Prüflingen über die Aufgaben – gerechtfertigt oder nicht – artikuliert haben.

In einer aktuellen Petition heißt es: „In Niedersachsen herrscht Enttäuschung und Unverständnis über das Mathematik-Abitur 2025. Die Prüfung war … überladen und schwierig. Dieses Abitur war kein Vergleich zu den Vorjahren und damit vollkommen ungerecht. Wir fordern eine sofortige Reaktion und Noten­anpassung!“ Diese Petition wurde bereits einen Monat vor der eigentlichen Prüfung erstellt und bis einen Tag vor der Prüfung über 1000-mal unterzeichnet. Es ist bedauerlich und bedenklich, wenn rein prophylaktisch Petitionen erstellt werden. Dadurch wird eine Möglichkeit der demokratischen Teilhabe ins Absurde verkehrt. Ein Erwerb der Hochschulreife bedeutet auch, mit den Möglichkeiten der Demokratie sachgerecht umzugehen.“

Hannover, 13. Mai 2025

 

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