Home Aktuelles Statement des Vorsitzenden Audritz zur Frage “Verzicht auf Abiturprüfungen?”

Statement des Vorsitzenden Audritz zur Frage “Verzicht auf Abiturprüfungen?”

by Marta Kuras-Lupp

Der Vorsitzende erklärt: “Der Verzicht auf Prüfungen, insbesondere Abiturprüfungen, muss auch in Pandemiezeiten die „ultima ratio“, also das letzte Mittel sein, um nicht hinnehmbare Anforderungen und Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Noch sind wir auch nicht so weit, ein „Notabitur“ anzusteuern. Der Begriff erinnert an Zustände eines weitgehenden Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung, von dem in der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht die Rede sein kann. Und selbst da hat man Wert daraufgelegt, dass Prüfungen, in welcher Form auch immer, durchgeführt wurden.

Für die Durchführung von Prüfungen gelten in Pandemiezeiten drei Bedingungen:

  1. Das Infektionsrisiko muss beherrschbar sein.
  2. Es darf kein Stoff geprüft werden, der nicht vermittelt worden ist.
  3. Die Prüfungsbedingungen müssen deutschlandweit einheitlich durch die KMK geregelt sein.

In Niedersachsen hat die Vorbereitung des Abiturs 2021 nach der ersten Pandemiewelle begonnen. Die Abiturkommissionen haben getagt und die Anforderungen so angepasst, dass sie sich auf den behandelten Stoff unter Berücksichtigung von Unterrichtsausfall beziehen. Zusätzlich hat der Unterricht von Prüfungsgruppen unter hygienisch zumutbaren Bedingungen (Maßstab müssen die Empfehlungen des RKI sein) Vorrang vor anderem Unterricht. Niedersächsische Schülerinnen und Schüler haben gegenüber Schülern anderer Bundesländer den Vorteil, dass sie im Rahmen des G9 ihr erstes Abitur ablegen, also ein Jahr längere Vorbereitung auf das Abitur hatten, ohne dass da die Stofffülle erweitert worden ist. Das Abitur setzt sich zudem zu zwei Dritteln aus Vorleistungen und einem Drittel Prüfungsleistungen zusammen. Und natürlich haben die Lehrkräfte bei der Bewertung der Vorleistungen im Unterricht (die drei Halbjahre vor dem Abitur) bereits auf die Belastungen durch die Pandemie Rücksicht genommen und entsprechend vorsichtig zensiert. Wer gute Leistungen erbracht hat und das im Abitur untermauern kann, der hat ein aussagekräftiges Qualifikationszertifikat in den Händen. Bei einem Verzicht auf Prüfungen oder einem einfachen „Durchwinken“ wäre das nicht der Fall, und es wäre auch nicht gerechter, es  würde quasi gerade Leistungseinsatz „bestraft“. Wer bekommt dann einen Studienplatz unter numerus-clausus-Bedingungen, wer einen begehrten Ausbildungsplatz, wenn schulische Abschlüsse nicht mehr so aussagekräftig sind, wie funktionieren dann Übergänge zwischen Bildungsgängen, welche Auswahlsysteme etablieren sich dann durch Hochschulen und Unternehmen? Der Bildungsföderalismus darf nicht zu einem Flickenteppich länderspezifischer Regelungen werden, die die Anerkennung von Abschlüssen und die Vergleichbarkeit von Abschlüssen noch weiter in Frage stellt.

Das ist der bildungstheoretische Hintergrund. Der gesundheitspolitische Aspekt ist natürlich auch sehr entscheidend. Vor dem Hintergrund der Pandemieentwicklung müssen Prüfungen verantwortbar sein. Sie sind es, wenn das Infektionsrisiko gering ist und gering gehalten wird. Dabei kommt es auf die Empfehlungen des RKI an: Abstand halten, FFP2-Masken einsetzen und für Räume mit ausreichender Belüftung sorgen. Dabei ist auch daran zu denken, dass mobile Lüftungsgeräte und Luftreinigungsgeräte eingesetzt werden, dadurch also ein Anfang für die Ausstattung der Schulen gesetzt wird. Denkbar ist auch Corana-Schnelltests einzusetzen und im Vorfeld im schulischen Bereich die Impfmöglichkeiten verstärkt anzubieten.

Wenn das alles klappt, dann sind Prüfungen durchführbar. Wenn es allerdings zu einem längeren und verschärften Lockdown kommt, der alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst und jegliche Form von Kontakten als unverantwortbar einstuft, dann muss über Prüfungen neu nachgedacht werden. Dann kommt auch das sogenannte Notabitur mit all den belastenden Etikettierungen in Frage. Eine komplette Streichung ist, das sei wiederholt, die „ultima ratio“.”

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