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Philologenverband Niedersachsen fordert Bildungsministerium

by hermelingmeier

Lehrkräfte-Gewinnung nur durch Lehrer-Ausbildung:

Vor den Sommerferien stellt der Philologenverband Niedersachsen der für die Bildungspolitik verantwortlichen Klasse ein miserables Zeugnis aus. Das gelte für alle, die dem Lehrermangel seit Jahrzehnten nicht entschieden begegnet seien. Zuallererst seien dies die Kultusministerinnen und Kultusminister des Landes, aber auch die Präsidentinnen und Präsidenten der Kultusministerkonferenz. „Wenn Frau Prien behauptet, die ansteigenden Schülerzahlen seien nicht „vorhersehbar“ und Lehrermangel sei plötzlich entstanden, dann irrt die KMK-Präsidentin gewaltig. Natürlich war die zusätzliche Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine so nicht absehbar, dennoch ist der Mangel an den Schulen ein jahrzehntelanges Problem, das nicht entschieden genug angegangen wurde. Wenn man sich darüber erstaunt zeigt, dass Kinder sechs Jahre nach ihrer Geburt schulpflichtig sind und weitere vier Jahre später einen Platz an einer weiterführenden Schule finden müssen, dann sind die Äußerungen von Frau Prien weltfremd und völlig realitätsfern“, erklärt der Vorsitzende des Philologenverbandes, Dr. Christoph Rabbow.

Niedersachsen braucht nach der Landtagswahl ein Bildungsministerium

Die Probleme seien in Niedersachsen ebenso dramatisch wie in den anderen Bundesländern. „Alle reden und schreiben vom Lehrkräftemangel, doch keiner tut wirklich was, um den Mangel zu beheben. So darf es nicht weitergehen, wenn wir nicht sehenden Auges in eine Bildungskatastrophe schlittern wollen. Es ist längst nicht mehr alleinige Aufgabe der Kultusministerien, sondern eine von nationaler Tragweite, die die Richtlinienkompetenz der Länderchefs erfordern würde“, betont Rabbow. Von der großen Koalition in Niedersachsen sei hier nichts mehr zu erwarten, die Bilanz sei ernüchternd. „Wie auch immer die politische Konstellation nach der Landtagswahl im Herbst 2022 sein wird, wir fordern ein Bildungsministerium, das die Lehrkräftegewinnung vom Eintritt in das Studium bis hin zum Besetzen einer Planstelle im niedersächsischen Schuldienst bündelt“, stellt der Verbandsvorsitzende klar. Das völlig unkoordinierte Vorgehen zwischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) sowie dem Kultusministerium (MK) sei ein wesentlicher Grund für den Lehrkräftemangel. Das dürfe nach der Wahl nicht so bleiben. „Wer auch immer nach den Landtagswahlen Koalitionsverhandlungen führt, muss wissen: Die komplette Lehramtsausbildung gehört in eine Hand“, betont Rabbow.

Philologenverband hat klares Konzept für die zukünftige Lehrkräftegewinnung

Im Studium müssen die Kapazitäten für die Studierenden des Lehramts nicht nur deutlich erhöht werden, man müsse den Interessenten auch wirklich die Möglichkeit für die Aufnahme des gewünschten Studiengangs eröffnen. Universitäres Aussieben von Studierenden durch überhöhte Anforderungen nur vier Wochen nach Studienbeginn sei dabei ebenso fragwürdig wie die Festlegung von Zulassungsbeschränkungen mit einem Numerus Clausus von 1,4 für bestimmte Unterrichtsfächer.

„Die Lehramtsausbildung an den Universitäten muss schulformspezifisch erfolgen, denn nur so wird es der Ausbildung der verschiedenen Professionen an den Schulen gerecht. Noch vor der Bachelorprüfung muss ein Praxissemester der Studierenden, das an den niedersächsischen Studienseminaren angegliedert werden muss, erfolgen. Die Ausbildenden der Seminare sind die Schulprofis mit dem Blick für das Wesentliche im Unterricht. Nur sie können die zugehörige Unterstützung und Hilfen leisten oder frühzeitig erkennen, wenn Studierende für die Tätigkeit im Schuldienst nicht geeignet sind“, erklärt Rabbow weiter.

Der Philologenverband fordert, dass bereits sechs Wochen nach dem Masterabschluss, der Anfang März oder Anfang September erfolgen müsse, Studierende am 1.5. bzw. 1.11. eines Jahres einem Studienseminar ihrer Schulform als Lehrkräfte zugewiesen werden. Es folge dann ein 21-monatiger Vorbereitungsdienst, bestehend aus einer dreimonatigen Einführungs- und einer 18-monatigen Qualifikationsphase. Die Ausbildungskapazitäten an den Studienseminaren seien so aufzustocken, dass alle Studienabgänger ohne Wartezeiten in den Vorbereitungsdienst gehen können. Nach dem Referendariat erhalten alle Lehrkräfte, die den Vorbereitungsdienst erfolgreich abgeschlossen haben, ein Angebot auf eine Planstelle, die ihren erlangten Qualifikationen entspreche.

Vermehrt Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst unverzüglich ermöglichen

„Da das Konzept erst mittel- bis langfristig greift, brauchen wir kurzfristig zusätzliche Studierende, die über den Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst kommen. Grundlage für den Einsatz in den niedersächsischen Schuldienst muss das Referendariat sein und bleiben. Andere von sogenannten Bildungsverantwortlichen „kreativen“ Lösungen lehnen wir ab“, stellt der Vorsitzende klar. Natürlich müsse vorab eine Prüfung der Qualifikationen aus dem Studium erfolgen und es müssen klar definierte Anforderungen an die unterschiedlichen Schulformen gestellt werden.

Dass die Zulassung zum Quereinstieg, an 30 fehlenden Creditpoints scheitere und Interessenten dann die fehlenden Punkte durch ein Studium noch nachholen müssen, sei nicht zielführend. „An den Studienseminaren sind hervorragende Ausbilderteams, die aufgrund ihrer Expertise viel besser als irgendein Zertifikat über 30 Creditpoints entscheiden können, ob zugelassene Interessenten die Qualifikation für das Lehramt erfüllen oder nicht. Die fachdidaktische und pädagogische Ausbildung an den Seminaren ist entscheidend für den Einsatz als niedersächsische. Der Ausbildungskorridor muss dazu deutlich breiter aufgestellt werden. Auch hier fordern wir eine Stärkung der Studienseminare“, so Rabbow.

Studienseminare sind Schlüssel zur Lehrkräftegewinnung

Die Studienseminare seien das Bindeglied zwischen abgeschlossenem Studium und den ersten Schritten als voll ausgebildete Lehrkraft. „Auch, wenn das Kultusministerium dies noch nicht genügend zur Kenntnis genommen hat, hier sitzen Profis, die mit ihrer Ausbildung die Zukunft künftiger Lehrerinnen und Lehrer gestalten und dies machen sie höchst professionell“, stellt Rabbow klar.

Es komme auf Wissen, Handlung und Haltung bei den zukünftigen Lehrkräften an und genau dies werde vor allem in der Praxis über professionelle Beratungen nach Unterrichtshospitationen erreicht. „An dieser sensiblen Stelle nun die Sparschraube ansetzen zu wollen, ist absolut töricht. Es zeigt aber auch, dass eine ernsthafte Behebung des Lehrermangels noch nicht in den Blick genommen wurde und sich wohl mittelfristig die unterirdische Unterrichtsversorgung verfestigt. Ganz zu schweigen von der abschreckenden Wirkung, die dieses Signal auf zukünftige Lehramtsstudierende oder Lehramtsanwärter hat“, bedauert der Vorsitzende des PHVN.

„Wenn es um die Bildung und die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler geht, dann sollte dies eigentlich Chefsache sein. Auch darüber stimmen wir bei der Landtagswahl am 9.10.2022 ab“, appelliert Rabbow abschließend.

Hannover, den 4.7.2022

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