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Philologenverband fordert Rückbesinnung auf Kerngeschäft des Unterrichts

by hermelingmeier

Arbeiten und Lernen 4.0 stehen im Mittelpunkt der Beratungen

Niedersachsen endlich wieder in die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer zu bringen, dazu hat der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Horst Audritz, Kultusminister Tonne auf dem diesjährigen niedersächsischen Philologentag in Goslar mit Nachdruck aufgefordert. Dies könne durch eine kluge Verbindung aus Innovationen und den Möglichkeiten der Digitalisierung, aber auch durch eine gezielte Rückbesinnung auf die Kernaufgaben von Schule gelingen. „Der bisherige Weg, auf Beruhigung an der Bildungsfront zu warten und deshalb im Schneckentempo Bildungspolitik zu betreiben, lässt Niedersachsen immer weiter ins Hintertreffen geraten. Was wir brauchen sind zupackende Richtungsentscheidungen. Wir müssen wieder führend in der Unterrichtsversorgung, führend bei der Qualität der Abschlüsse sowie führend bei der pädagogisch angemessenen Fortentwicklung des Schulwesens werden. Das heißt für uns: Wir gestalten Zukunft!“, appellierte Audritz direkt zu Beginn seiner Rede.

Auch im zweiten Jahr der Großen Koalition habe es deutlich zu wenig konstruktive zukunftsweisende bildungs- und berufspolitische Initiativen gegeben, darüber könnten auch die permanente Gründung neuer Runder Tische oder Steuerungsgruppen nicht hinwegtäuschen. „Die nach wie vor vom Kultusministerium geförderte Konzeptionitis ist für unsere Lehrerinnen und Lehrer eine Zumutung. Statt weniger Bürokratie erleben wir immer neue Auswüchse, statt zugesagter Entlastungen werden die Kollegien zunehmend weiter belastet“, kritisierte Audritz.
Auch hier sei Niedersachsen im Kampf um die besten Köpfe, verglichen mit den anderen Bundesländern, deutlich im Nachteil. Die Erkenntnis, dass gute Arbeitsbedingungen für das Arbeitsklima und die Leistung wichtige Faktoren seien, müsse endlich auch für die Lehrkräfte übernommen werden. „Unsere Forderungen bleiben deshalb unverändert bestehen: Wir brauchen eine Senkung der Unterrichtsverpflichtung, wir brauchen eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamten, wir brauchen dringend einen Ausweitung der Beförderungsmöglichkeiten, eine amtsangemessene Besoldung und wir brauchen endlich wirkliche Entlastungen von unterrichtsfernen Aufgaben sowie einen der Fürsorgepflicht des Landes entsprechenden Arbeits- und Gesundheitsschutz“, stellte der Vorsitzende klar.

Die wichtigste Aufgabe von Schule sei es nach wie vor, die Qualität der schulischen Bildung und der Abschlüsse zu erhalten. Es sei daher nicht nur eine Fußnote, wenn zum wiederholten Mal die Aufgabenstellungen des Abiturs bundesweiter Kritik und Protesten unterlägen. Niedersachsen belege beim Abiturnotendurchschnitt den letzten Platz im Ländervergleich, was zu einer deutlichen Benachteiligung im Wettbewerb um Ausbildungs- und Studienplätze führe. Dies könne so nicht weitergehen. „Es ist etwas faul, wenn Berlin die rote Laterne bei der Bildungsqualität erhält, dort aber ein besserer Abiturdurchschnitt vorliege sowie wesentlich mehr Schüler eines Jahrgangs das Abitur bekommen“, konstatiert Audritz. Die Konsequenz könne aber nicht sein, das Abitur leichter zu machen, die Konsequenz müsse sein, das Abitur in allen Ländern vergleichbarer zu machen, ein verbindliches Niveau sowie verbindliche Korrekturmaßstäbe zu definieren. „Ein Bundeszentralabitur lehnen wir vor diesem Hintergrund in naher Zukunft weiterhin ab, da es weder inhaltlich noch organisatorisch realisierbar wäre“, so Audritz. Es brauche den Mut zu allgemein verpflichtenden fachlichen Inhalten, damit eine Verständigung über das Abiturniveau gelinge. „Die Formel ist am Ende ziemlich einfach: Die Studierfähigkeit muss das Niveau bestimmen, nicht die Zahl der Absolventen oder der Durchschnitt!“

Der Philologentag habe mit seinem Motto, „Arbeiten und Lernen 4.0“, im ersten Jahr des Digitalpaktes bewusst ein herausforderndes Zukunftsthema für die Schulen in den Mittelpunkt gerückt. Auch hier spiele die Qualität der schulischen Bildung die zentrale Rolle. „Für uns geht es bei der Digitalisierung nicht nur um die Technik, es geht allem voran um die Inhalte“, so der Verbandsvorsitzende. Die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften, eine Überarbeitung von Lehrplänen, des Datenschutzes oder auch die Mitbestimmung am Arbeitsplatz Schule seien offene Punkte, die bislang ungelöst im Raum stünden. „Es ist nachgewiesen, dass Leistungen nicht durch Einsatz digitaler Medien besser werden. Im Mittelpunkt von Schule müssen daher weiterhin der fachlich hoch qualifizierte Lehrer und das klärende Unterrichtsgespräch stehen, die soziale Interaktion und der pädagogische Zuspruch. Das ist die beste Förderung.  Solange diese Fragen nicht geklärt sind, Herr Kultusminister, werden die Mittel des Digitalpaktes verpuffen“, betont Audritz.

In seiner Ansprache stimmte Kultusminister Tonne der Losung „Pädagogik vor Technik“ – wie es auch Festredner Prof. Dr. Zierer in seinem Fachvortrag zur Lehrerprofessionalität im Zeichen der Digitalisierung postulierte – ausdrücklich zu und appellierte, keine radikalen Umbrüche zu fordern, sondern Schritt für Schritt vorzugehen. Ein besonderes Augenmerk legte er darauf, Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Demokratiebildung verstärkt im Umgang mit digitalen Medien zu befähigen zwischen realen Meldungen und Fake News zu unterscheiden. Dies sowie der entschiedene Einsatz dafür, einer Verrohung im Umgang insbesondere an Schulen entgegenzutreten, sei ein Schwerpunkt seiner Arbeit bis 2020.

Zu den angestoßenen Entlastungsmaßnahmen für Lehrer und Schulen führte der Minister aus, dass diese keineswegs statisch zu betrachten seien, sondern als Grundlage zur Diskussion und Kompromissfindung, als erster Schritt. „Wir haben verstanden, dass die bisherigen Vorschläge im Umgang mit der Archivierung der Klassenarbeiten kaum Wirkung entfalten. Von daher sichere ich zu, dass wir diese zeitaufwändige Verpflichtung der Archivierung gänzlich aufheben werden“, so der Minister. Insgesamt blieb Tonne seinem moderierenden, wenig konkreten Stil treu und verwies bei den dezidierten Forderungen des Verbands nach Verbesserungen der Arbeits- und Lernbedingungen einmal mehr auf die zahlreichen Gesprächskreise.

Abschließend wiederholte daher der Verbandsvorsitzende nochmals seine Forderung an Minister Tonne endlich anzupacken. „Bildung ist unsere wichtigste Ressource, verzetteln Sie sich nicht weiter in Projekten. Sorgen Sie dafür, dass Unterricht wieder das Kerngeschäft wird und verbessern Sie die schulische Ausstattung sowie die Arbeitsbedingungen. Damit machen Sie die beste Werbung für den Lehrerberuf“, so Audritz unter großer Zustimmung der Delegierten und Gäste.

Goslar, 27.11.2019

 

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