Der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Dr. Christoph Rabbow, kritisiert angesichts der weiterhin fehlenden Lehrkräfte und der damit einhergehend wachsenden Zahl an Überstunden die Haltung des Landes als absichtliche Ignoranz:
„Frau Hamburg hat zum Schuljahresbeginn bekannt gegeben, dass in 2024/2025 in Niedersachsen mehr Lehrkräfte als im Schuljahr 2023/2024 zur Verfügung stehen werden. Allerdings steigen die Schülerzahlen weiterhin an und der Hochpunkt ist noch nicht erreicht. Auch in den nächsten Jahren werden mehr Lehrkräfte gebraucht als auf dem Markt sind und der Kampf um die Lehrkräfte hat in allen Bundesländern begonnen. Die Landesregierung begründete damit das Einstiegsgehalt aller Lehrämter auf A13, auch wenn dadurch noch keine einzige neue Lehrkraft gewonnen wurde.
Arbeitszeitstudie aus dem Jahr 2016 bis heute ohne Folgen für die Beschäftigten
Was allerdings weder Frau Hamburg, noch ihre Vorgänger Heiligenstadt und Tonne berücksichtigt haben, sind die Ergebnisse der 2016 veröffentlichen Arbeitszeitstudie. Zur Erinnerung: Von 13.4.2015 – 3.4.2016 erfassten fast 2900 Lehrkräfte ihre Arbeitszeiten in 23 verschiedenen Kategorien. Das Ergebnis der Studie zeigte nach Bereinigung der unterrichtsfreien Zeit, dass Gymnasiallehrkräfte pro Woche 3 Std. 5 Min., Gesamtschullehrkräfte 4 Minuten und Grundschullehrkräfte 1 Std. 20 Min. mehr arbeiten als sie nach den in §2 der Niedersächsischen Arbeitszeitverordnung festgesetzten 40 Wochenstunden sollten. Das Ergebnis war aufgrund der damals schon bestehenden Belastung nicht überraschend, in dieser Größenordnung allerdings nicht unbedingt erwartbar gewesen.
Für Gymnasiallehrkräfte bedeutet dies eine Mehrarbeit von 7,7 Prozent, für Grundschullehrkräfte eine Mehrarbeit von 3,3 Prozent. Heute muss man aufgrund hinzugekommener Aufgaben, wie der Inklusion, der digitalen Transformation oder der Integration zahlreicher Kinder und Jugendlicher, die durch Krieg ihre Länder verlassen haben, die Mehrarbeit sicher noch höher ansetzen. Diese Aufgaben werden dauerhaft bleiben und für Mehrarbeit und Belastung der Lehrkräfte sorgen.
2024 werden Lehrkräfte an Gymnasien 1000 Überstunden voll machen.
Auf Grundlage der Göttinger Arbeitszeitstudie werden bis Ende 2024 vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte an Gymnasien die 1000. Stunde Mehrarbeit und Grundschullehrkräfte die 450. Stunde Mehrarbeit geleistet haben und das ganz ohne Ausgleich. Das Überstundenrad dreht sich weiter und schneller.
Die Kabinette Weil I bis Weil III konnten und können sich seit 2016 nicht mehr herausreden. Wären sie ihre Fürsorgepflicht gegenüber der Bediensteten nachgekommen, hätten sie gehandelt. Passiert ist in dieser Hinsicht bis heute nichts. Überstunden ohne einen finanziellen Ausgleich oder einen Ausgleich durch Freizeit bewusst in Kauf zu nehmen, kann man nur als absichtliche Ignoranz bezeichnen!
Legt man die 2016 durch die Studie nachgewiesene Mehrarbeit den geltenden Stundendeputaten zugrunde, so müsste in Niedersachen das Deputat für Gymnasiallehrkräfte um 1,7 Stunden, das der Grundschullehrkräfte um 0,93 Stunden gesenkt werden und das bereits seit acht Jahren.
Kein Wunder, dass sich Lehrkräfte seit Jahren überlastet fühlen. Das ist nicht nur irgendein Gefühl der Lehrkräfte, das ist Fakt. Jede Woche mit drei Überstunden ist eine Belastung – in jedem Beruf. Diese Belastung muss runter, da helfen weder Freiräume noch zahlreiche Arbeitskreise im MK. Das geht nur durch das Einhalten der gesetzlich festgeschriebenen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden. Nur so schafft man wirklich attraktive Rahmenbedingungen für Lehrkräfte und deren Nachwuchs.“
Hannover, 13. August 2024